08.08.1915

Warten auf Post

 
 
Ethel Cooper in ihrer Wohnung in der Leipziger Grassistrasse
Ethel Cooper in ihrer Wohnung in der Leipziger Grassistrasse
 
 

Ethels Freund Sandor stammt aus der damals ungarischen, heute rumänischen Stadt Arad, rund 1000 Kilometer von Leipzig entfernt. Hier wird endgültig darüber entschieden, ob Sandor in der k.u.k. Armee dienen soll. Doch Nachrichten von Sandor sind nicht das einzige, worauf Ethel angstvoll wartet. Connie Jäger, eine englische Freundin, die bei Leipzig lebt und mit einem Deutschen verheiratet ist, hat sich bereiterklärt, Ethels Briefe an ihre Schwester außer Landes zu schmuggeln und nach Australien zu schicken.

Meine liebe Emmie, Sandor ist gegangen, mit sehr gesunkenem Mut, und ich kann wirklich nicht behaupten, fröhlich zu sein. (...) Er hat schon telegrafiert und geschrieben. Wir müssen weitere zehn Tage warten, bis er sein Schicksal erfährt. (...) Die Wohnung fühlt sich fürchterlich einsam und verwaist an, obwohl ständig Leute ein- und ausgehen (...) Ich bekam eine vorsichtige und zugleich triumphierende Postkarte von Frau Jäger: "Ich bin sicher in Bern angekommen, und Deine Angelegenheiten konnte ich in Ordnung bringen. Oh meine Teure, ich habe Dir vielleicht Sachen zu erzählen!" Wie sie die Briefe über die Grenze brachte, werde ich erst erfahren, wenn sie wieder zurück ist, aber ich bin schrecklich froh zu wissen, dass sie Dich jetzt erreichen!