21.08.1914

Polizeibesuch

 
 
Ethel Coopers Wohnung in der Grassistraße in Leipzig
Ethel Coopers Wohnung in der Grassistraße in Leipzig
 
 

Jahrelang hat Ethel Cooper ein ganz normales Leben in Leipzig geführt. Mit dem Kriegsausbruch steht sie plötzlich unter Dauerbeobachtung. Fast täglich kommt die Polizei zu ihr, um ihr neue Verbote aufzuerlegen und sie zu rügen, wenn sie diese nicht einhält. Es ist ihr jetzt nicht mehr erlaubt, auf der Straße oder am Telefon Englisch zu sprechen – und auch die Stadt darf sie als Ausländerin ohne Sondergenehmigung nicht mehr verlassen.

Meine liebe Emmie, die hauptsächliche Aufregung in dieser Woche war eine Reihe von Besuchen durch die Kriminalpolizei. Beim ersten Mal wurde gesagt, ich würde verdächtige Ausländer beherbergen. Beim zweiten Mal hieß es, jemand hätte Englisch an meinem Telefon gesprochen. Aber die folgenden drei waren recht amüsant. Wie du weißt, nennen wir meine Wohnung schon immer den "Klub", weil man zu jeder Tages- und Nachtstunde Einlass findet, dabei immer jemanden trifft – und jederzeit eine Tasse Tee und eine Zigarette bekommen kann. Jedenfalls scheint sich eine harmlose Wichtigtuerin maßlos darüber aufzuregen, warum hier so viele Leute kommen und gehen. Durch ihre Nachforschungen fand sie die Namen einiger Besucher heraus – und diese Woche denunzierte sie uns bei der Polizei als eine gefährliche politische Organisation! (...) Den Wichtigtuern musste erklärt werden, dass Musiker womöglich anders leben als die meisten Deutschen, und dass es denkbar ist, später wach zu sein als zehn Uhr am Abend, ohne sich zwangsläufig politisch verdächtig zu machen.