31.12.1917

Jahresbilanz

 
 
Eine Postkarte mit Neujahrsgrüßen
Eine Postkarte mit Neujahrsgrüßen
 
 

Wie in den Jahren zuvor zieht Käthe Kollwitz auch am Silvester 1917 eine Jahresbilanz. Auch im Jahr 1917 hat der Krieg den Menschen in Deutschland ungeheure Opfer abverlangt. Aber die Sozialistin Kollwitz kann dem vergangenen Jahr auch Positives abgewinnen. Denn die revolutionären Umwälzungen in Russland sind für sie Vorbote einer neuen, besseren Ordnung in ganz Europa.

Ich sitze an meinem Schreibtisch in aller Stille. Wenn es 12 Uhr ist, werde ich Wein trinken.
Was hat dieses Jahr gebracht? Was hat es genommen?
Es war schwer und ernst wie die beiden andern Kriegsjahre. Es hat nicht den Frieden gebracht. Es hat immer genommen und genommen. Menschen genommen und Glauben genommen, Hoffnung genommen. Kraft genommen.
Gegeben hat es neue Ausblicke durch Russland. Von da ist etwas Neues in die Welt gekommen, was mir entschieden vom Guten zu sein scheint. Eine neue Hoffnung, dass in der Entwicklung der Völker in der Politik nicht wie bis jetzt nur Macht entscheidet, sondern dass "von nun an" auch die Gerechtigkeit mitwirken soll. Die Russen haben gezeigt, dass eine Möglichkeit dazu ist und dies ist vielleicht das schönste geistige Erlebnis im letzten Jahr gewesen.