10.11.1918

Straßenkampf

 
 
Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrats mit einem Geschütz in einem Hof des Berliner Schlosses, 9.-10. November 1918
Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrats mit einem Geschütz in einem Hof des Berliner Schlosses, 9.-10. November 1918
 
 

Auch am Tag nach der Absetzung des Kaisers ist Berlin von Unruhen erfasst. Käthe Kollwitz ist erneut im Regierungsviertel der Hauptstadt auf der Straße.

Zum Schlossfenster heraus, aus dem sonst der Kaiser sprach, hat Liebknecht gesprochen. (...) Es sprachen am Bismarck-Denkmal verschiedene Männer, auch eine Frau. War es die Stöcker? Sie sprach gut. Mitten während einer Rede hörte man erst einzelne Schüsse fallen, dann ein ganzes Geknatter. Die Tausende stieben auseinander. Sammeln sich wieder, dann von neuem Schießen. So ging es dreimal. Das letzte Mal eine ordentliche Kanonade.
Das Feuer kam aus den großen Häusern links vom Reichstag und aus dem Eckhaus Dorotheenstraße. Ich war mit Stan [einer Freundin] zusammen. Wir rannten immer fort und kamen dann wieder vor. Dann auf Umwegen, weil einzelne Stellen, wegen möglichen Beschießens gesperrt waren, nach Haus gekommen. (...) Die ganze Nacht von Sonnabend zu Sonntag soll Unter den Linden, in der Friedrichstraße und am Marstall geschossen [worden] sein. Königstreue Offiziere haben dort Maschinengewehre versteckt gehalten, Jugendwehr angestellt. Durch unterirdische Gänge sind sie dann geflüchtet, wenn Soldaten die Häuser absuchten.
Sonntag abends. (...)
Ich versuche, nach dem Zirkus Busch zu kommen, wo die Delegierten der Arbeiter- und Soldatenräte tagen. Komme nur bis Schönhauser Tor. Soldaten zu Pferde treiben die Menge vor sich her und in die Häuser: schließen - es wird geschossen. Ich habe Angst und gehe nicht weiter.