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Marne

 
 

Die erste Schlacht an der Marne im September 1914 ist von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf des Krieges. Hier gelingt es der französischen Armee und dem britischen Expeditionskorps, den deutschen Vormarsch durch Frankreich aufzuhalten und den Gegner zum Rückzug zu zwingen.

Trotz des unerwartet starken Widerstandes der Belgier verläuft der Aufmarsch der deutschen Angriffsarmeen gegen Frankreich im August 1914 zunächst weitgehend nach Plan. Die 1. Armee unter General Alexander von Kluck und die 2. Armee unter General Karl von Bülow ziehen im weiten Bogen durch Belgien und Nordfrankreich und gewinnen erste große Schlachten bei Namur, Charleroi und Mons. Die französischen Armeen und die kleine British Expeditionary Force müssen sich zurückziehen. Die deutschen Armeeführer Kluck und Bülow sind überzeugt, dass sich die Gegner in ungeordnetem Rückzug befinden und nunmehr leicht zu schlagen sind.

General Alexander von Kluck mit seinem Stab
General Alexander von Kluck (erste Reihe, Dritter von links) mit seinem Stab
© LOOKS/Library of Congress

Diese Überzeugung, den vermeintlich fliehenden Feind jetzt endgültig fassen und damit den Krieg wie geplant noch vor Weihnachten 1914 beenden zu können, ist so stark, dass auch die 3. Armee unter Max von Hausen ganz im Gegensatz zum Feldzugsplan zur Offensive übergeht. Diese sogenannte "Verfolgung auf der ganzen Linie" hat fatale Konsequenzen. Bülows 2. Armee geht so rasch vor, dass Kluck nicht folgen kann oder will. Durch diese mangelnde Synchronisierung der Angriffsarmeen entsteht ein circa 40 Kilometer breiter Spalt. Auch der ursprüngliche Plan, Paris von Westen her zu umzingeln, wird verworfen. Kluck lässt seine Armee nach links einschwenken, um Bülow an die Marne zu folgen – mit dem Ergebnis, dass seine gesamte rechte Flanke weitgehend ungedeckt vor Paris liegt.

Offene Flanke vor Paris


Paris ist damals jedoch eine riesige Garnison mit 150.000 kampfbereiten Soldaten. Die französische Armeeführung, die von diesem unerwarteten Linksschwenk bald unterrichtet ist, betrachtet die offene Flanke der Deutschen als Geschenk des Himmels. Die Kräfte der Garnison Paris und weitere Korps aus dem Osten werden marschbereit gemacht. Sogar die Taxis der Stadt werden beschlagnahmt, um Soldaten möglichst rasch an die Front zu bringen. In Frankreich ist der Mythos der "Marne-Taxis" noch heute bekannt.

Französische Soldaten an der Marne, 1914
Französische Soldaten an der Marne, 1914
© LOOKSfilm

Ab dem 6. September geht diese neu gebildete 6. Armee der Franzosen offensiv gegen die offene Flanke der Armee Kluck vor. Als Kluck die Gefahr erkennt, versucht er unter französischem Beschuss, am Ourcq-Fluss zwei Armeekorps von ungefähr 100.000 Mann in Richtung Paris zu drehen. Trotz ungeheurer Marschleistungen der Soldaten, die hierfür an einem Tag bis zu 50 Kilometer mit ihrem schweren Gepäck in der Sommerhitze rennen und kämpfen müssen, gelingt das nicht ganz. Schlimmer noch: Durch die Drehbewegung wird die Kluft zwischen den beiden deutschen Angriffsarmeen noch größer. Genau in diese Lücke droht das britische Korps hineinzustoßen.

Deutscher Rückzug


In dieser Situation entsendet Generalstabschef Moltke am 8. September den Oberstleutnant Richard Hentsch zu den beiden Angriffsarmeen. Nachdem sich dieser ein Bild von der Lage gemacht hat, wird der Rückzug beider Armeen an die Aisne angeordnet. So geht die Schlacht an der Marne verloren, weil die Deutschen die Widerstandskraft der Franzosen fahrlässig unterschätzen. Damit schwindet alle Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges. Nun beginnen die Armeen, Schützengräben zu bauen und sich im Krieg einzurichten.

Zurückgelassene Geschütze auf einem Feld
Zurückgelassene deutsche Geschütze nach der Schlacht an der Marne
© LOOKSfilm

Während die Franzosen den Rückzug der Deutschen, die schon bis zu den Vororten von Paris herangekommen waren, heute noch als "Marnewunder" ("le miracle de la Marne") in Erinnerung haben, ist dieser Fehlschlag für die Deutschen eine Katastrophe. Sie haben so sehr mit einer raschen Niederlage der Franzosen gerechnet, dass die Verantwortlichkeit für diesen Fehlschlag sofort hin- und hergeschoben wird. Ist Kluck zu arrogant gewesen, die Befehle des Generalstabs-chefs Moltke auszuführen? Hat es an Kommunikation zwischen den Führern der Angriffsarmeen gefehlt? Sind sie sogar neidisch aufeinander gewesen, sodass jeder versucht hat, als Erster die Franzosen vernichtend zu schlagen? Bis in die 1930er-Jahre wird diese Debatte zum Teil sehr erregt geführt. Generalstabschef Moltke reagiert auf den Rückzug mit einem so starken Nerven-zusammenbruch, dass er bereits Mitte September seines Amtes enthoben und durch Erich von Falkenhayn abgelöst wird. Letzterer ist nämlich der Meinung, dass die Deutschen bald wieder zum entscheidenden Vorstoß ansetzen könnten - womit er zwei Jahre später vor Verdun allerdings ebenfalls scheitert.